Das Virus legt die Verletzbarkeit aller Menschen frei und macht sichtbar, dass Leben immer auch Verbundenheit, Abhängigkeit und Gefährdung bedeutet. Obwohl das Virus alle treffen kann, sind dennoch nicht alle gleich gefährdet. Einteilungen in produktive und unproduktive Körper legen fest, wer der eigenen Verletzbarkeit überlassen wird und welches Leben „systemrelevant“ ist. Die dominante Antwort auf das Virus gleicht einer Kriegserklärung: Das Virus soll überwunden werden, es darf nicht gewinnen. Ist dieser Umgang mit dem Virus nicht auch eine Verleugnung dessen, was das Leben ausmacht: Verbundenheit und Verletzbarkeit? Warum fällt es so schwer, das Ausgeliefertsein an Andere zu akzeptieren? Wie wird entschieden, welche Leben als schützenswert und betrauerbar gelten und welche nicht? Wie können Wege aus der Corona-Krise aussehen, die von dieser wechselseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit ausgehen?
Warum in einem System leben,
das auf Sicherheit beruht,
die es überhaupt nicht gibt,
und in dem die Verletzbarkeit
des Menschen ausgeblendet wird?
Obwohl alle von dem Virus infiziert werden können, sind dennoch nicht alle Menschen gleich gefährdet. Leben heißt zwar, verletzbar und gefährdet zu sein. Aber da Leben immer mit politischen Verhältnissen verwoben ist, sind die Bedingungen, die Leben überhaupt erst ermöglichen, ungleich verteilt. Dieses Zusammenwirken von Leben, Politik und Gefährdung kann mit den Begriffen „Prekarität“ und „Prekär-Sein“ von Judith Butler analysiert werden. Wie wird die Verletzbarkeit des Lebens politisch reguliert? Warum gelten nicht alle Leben als gleich schützenswert und betrauerbar?
Ausgesetzt-Sein | Gefährdung | Körper | Leben | Prekarität | Souveränität | Unsicherheit
Lepra, Pest, Syphilis, HIV/Aids und Corona – in all diesen Pandemien wurde und wird immer auch mit verhandelt, wer als Gefahr gilt und wie diese gebannt werden kann. Seuchenpolitiken geben daher auch vor, wie mit der grundlegenden Verwobenheit und Abhängigkeit von Menschen in Zeiten einer Bedrohung umgegangen werden soll. Aber ist es überhaupt möglich, sich gänzlich voneinander abzuschotten, wie das die Figur des liberalen Individuums suggeriert? Was bedeutet es für (Seuchen-)Politiken, dass Menschen notwendig miteinander in Relationalität leben? Und wer wird in der Corona-Krise ein- und ausgeschlossen?
Digitalisierung | Exklusion/Inklusion | Gemeinschaft | HIV/Aids | Individuum | Kontroll- und Überwachungstechniken | Todesindustrien
Sich mit seiner
eigenen Verletzbarkeit
auseinanderzusetzen,
hat auch etwas Bedrohliches.
Schon bevor Corona unsere Leben bestimmte, waren Angst, Stress, Panik, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen für viele Menschen Teil des Alltags. Eine Zeit der Unsicherheit, in der niemand weiß, welche Veränderungen der nächste Tag bringt, und in der soziale Kontakte nur eingeschränkt möglich sind, führt zu einer Verschärfung psychischer Belastungen. Die Sozialpsychologin Julia spricht über die Auswirkungen der Corona-Krise auf das psychische (Wohl-)Befinden. Wie sehen die psychischen Dimensionen der Corona-Krise aus? Welche Einflüsse haben Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen auf die Psyche? Welche Rolle spielen psychische Bedürfnisse in den Krisenbewältigungspolitiken? Wie lässt sich die Stigmatisierung psychischer Krankheiten auflösen und welche Prioritäten müssten anders gesetzt werden?
Einsamkeit | Ethische Fragen | Isolation | Psychische Belastung | Psychisches Wohlbefinden | Safe Space | Stigmatisierung